Als meine Physiklehrerin mir von der Studierendenakademie proMINat Anfang März erzählte, war ich sofort neugierig. „Ein Forschungspraktikum für Schüler des zweiten Bildungsweges in Jülich“ - mit dieser Information konnte ich erst einmal wenig anfangen. Deshalb informierte ich mich direkt im Internet und war begeistert. Ein einwöchiges Praktikum in allen Bereichen der Naturwissenschaften in einer Forschungseinrichtung, wann bekommt man dazu schon eine Gelegenheit. Lerninhalte, die in der Schule behandelt werden, einmal praktisch zu sehen und zu erleben, aus dem Aspekt der Forschung hat mich immer schon interessiert. Zur Zeit besuche ich das Overberg-Kolleg in Münster und mache dort mein Abitur nach. Meine Leistungskurse sind Mathematik und Physik, deshalb fiel es mir leicht, mich für zwei der vielen Forschungszentren zu entscheiden. Als dann die Zusage kam, war ich sehr froh, aber auch ziemlich aufgeregt, was mich erwarten wird.
Tag 1 – Die Gruppe kennenlernen
Meine Anreise von Münster nach Jülich verlief zum Glück reibungslos. So traf ich am
Bahnhof von Jülich auf neun weitere Studierende und die beiden Betreuer Frau Haase
und Herrn Schmidt. Es dauerte nur kurz, bis das Eis gebrochen war und die erste
Aufregung abflaute. Nach einer ersten Begrüßung ging es direkt weiter zum Haus
Overbach, das für uns als Unterkunft vorgesehen war. Bevor wir unsere Zimmer
beziehen konnten, stand ein kleiner Ausflug auf dem Programm. Schnell kam man bei
dem Spaziergang ins Gespräch und es wurde deutlich, dass die Interessen gar nicht
so unterschiedlich sind. Zurück am Haus Overbach blieb nur wenig Zeit, die schönen
und modernen Zimmer zu begutachten, denn es ging direkt zum Abendessen. Im
Anschluss gab es eine gemeinsame Gesprächsrunde mit den zehn Studierenden und
den zwei Betreuern, in der wir uns über unsere Erwartungen ausgetauscht haben. Am
späten Abend besichtigten wir noch das Science-College, welches zu der Schule in
unmittelbarer Nähe unserer Unterkunft gehört.
In diesem Gebäude werden
Schülerinnen und Schüler in den naturwissenschaftlichen Fächern unterrichtet. Der
darauffolgende Astronomievortrag von einem ehemaligen Lehrer dieser Schule war
sehr spannend und erkenntnisreich. Leider wurde uns ein Blick in den Himmel durch
das dortige Teleskop aufgrund einer dichten Wolkendecke verwehrt.
Tag 2 – Das erste Tag im Forschungszentrum
Nach dem Frühstück sind wir gemeinsam zum Forschungszentrum Jülich gefahren.
Dort hat jeder seinen eigenen Ausweis für das weitläufige Gelände bekommen. Im
Anschluss an die Begrüßung im Schülerlabor bekamen wir auf einer Rundfahrt einen
ersten Überblick, wie viele verschiedene Institute sich in dem Forschungszentrum
befinden. Der erste Eindruck war überwältigend, dass in so vielen Bereichen dort
geforscht wird. In einem der Institute war das Modell des Teilchenbeschleunigers, mit
dem dort geforscht wird, abgebildet. So konnte ich das erste Mal einen Blick auf eine
Maschine werfen, die ich sonst nur aus der Theorie im Physikunterricht kannte. Ich
konnte also nicht nur mein Wissen über Teilchenbeschleuniger auffrischen, sondern
auch mit eigenen Augen sehen, wie komplex dieser ist.
Nach dem Mittagessen im Seecasino wurde dann jeder von einem Betreuer des
jeweiligen Institutes abgeholt. Ich hatte mich im Vorfeld für das ZEA-1 entschieden, das
ist das Zentralinstitut für Engineering, Elektronik und Analytik. Bevor ich das Abitur
begonnen habe, habe ich eine technische Ausbildung in einem Industriebetrieb
gemacht, und mich entschlossen nach der Schule ein Studium als Ingenieur zu
beginnen. Deshalb fiel meine Wahl direkt auf dieses Institut. Genau so groß wie mein
Interesse, hier meine Woche zu verbringen, war die Aufregung, was mich erwarten
wird.
Ich wurde von meinem Betreuer durch das gesamte Institut geführt und erhielt erste
Eindrücke, mit welcher Arbeit sich ein Physikingenieur beschäftigt. Der Punkt
Sicherheit wird zum Beispiel sehr groß geschrieben. Und so bekam ich meine eigenen
Sicherheitsschuhe für die Woche und eine Sicherheitsunterweisung, damit ich weiß,
wie ich mich bei allen praktischen Arbeiten und im Notfall zu verhalten habe. Kurz vor
Feierabend wurde mir dann noch mitgeteilt, dass ich ein eigenes Projekt für die Woche
bekommen würde, an dem ich mit einigen Mitarbeitern meiner Abteilung arbeiten
würde. Leider war es dann an der Zeit zurück zum Haus Overbach zu fahren, denn ich
konnte es kaum erwarten mit dem Projekt zu beginnen.
Nach dem gemeinsamen Abendessen haben wir uns dann zusammen gesetzt und
unsere ersten Eindrücke und Erfahrungen mitgeteilt. Es stellte sich heraus, dass jeder
zu Beginn sehr aufgeregt war, aber alle ein positives Gefühl nach dem ersten Tag im
Forschungszentrum hatten und den nächsten Tag kaum erwarten konnten.
Tag 3 – Vorbereitung meines eigenen
Nun hatte das Warten ein Ende. In einer Teambesprechung wurden mir und zwei
Mitarbeitern des ZEA-1 unser gemeinsames Projekt erläutert: Neutronen sollen in
einem Beschleuniger mit anderen Gegenständen kollidieren. Damit dieser Vorgang
nicht von außen durch Störfaktoren beeinflusst wird, ist dieser mit einer
Kunststoffverkleidung aus PE-Platten ummantelt. Damit diese Hülle kein Feuer fängt,
sind an dem Kunststoff dünne Edelstahlbleche befestigt. Diese sind allerdings sehr
teuer und sollen durch Kunststoffplatten, die zum Teil aus normalem Polyethylen (PE)
und Brandschutz-PE bestehen, ersetzt werden, weil dies kostengünstiger ist. Eine
weitere Möglichkeit wäre, das normale Polyethylen mit einer Brandschutzfarbe zu
bestreichen. Beide Verfahren sollen nun getestet werden, da vorher keinerlei
Erfahrungen mit der Brandschutzfarbe und dem Brandschutz-PE gemacht worden ist.
Der Test besteht nun darin, beide Möglichkeiten einer direkten Flamme auszusetzen
und im weiteren Verlauf die Wärmeleitfähigkeit des Polyethylens festzustellen mit
verschiedenen Sensoren.
Zuerst sollte ein geeigneter Arbeitsplatz ausgesucht werden, an dem sich eine
Absauganlage für die Dämpfe, die bei diesem Versuch entstehen, befindet. Ein Gestell,
auf das die PE-Platte gelegt werden konnte und das ein Loch für die Flamme hat, war
schon vorbereitet. Nun galt es die Kunststoffplatte für den Versuch vorzubereiten. Es
mussten zum Beispiel Löcher für die Sensoren gebohrt werden und die Hälfte der
Oberfläche musste angeraut werden, damit die Farbe besser hält.
Der Tag verging wie im Fluge mit allen Vorbereitungen und die Durchführung sollte
dann direkt am nächsten Tag erfolgen.
Tag 4 – Durchführung und Diskussion
Über Nacht war die Brandschutzfarbe komplett getrocknet und beide
Polyethylenplatten waren nun bereit, der Flamme ausgesetzt zu werden. Bevor wir
loslegen konnten, wurde noch eine Kamera in Position gebracht, die den ganzen
Ablauf dokumentieren sollte. Außerdem wurde gemeinsam das Messgerät, welches mit
allen drei Sensoren verbunden war, eingestellt. Jetzt konnte der Versuch starten und
ich war ziemlich gespannt auf das Ergebnis.
Sowohl das Brandschutz Polyethylen, als auch der Kunststoff mit der Brandschutzfarbe
hielten der offenen Flamme stand und fingen nicht an zu brennen.
Das Versuchsprotokoll musste allerdings auf den nächsten Tag verschoben werden,
denn nach dem Mittagessen gab es für uns zehn Studierende eine gemeinsame
Gesprächsrunde. Zwei Mitarbeiter des Institutes für Neurowissenschaften hatten uns
eingeladen, mit ihnen über Ethik in der Neurowissenschaft zu diskutieren. Es ging
speziell um das Thema „Neuroenhancement“, ob das Einnehmen von Substanzen, die
unsere Leistungen fördern, im Alltag legitim ist. Ein aktuelles Thema, das auch in
unserer Welt mit hohem Leistungsdruck als Schüler/in und Student/in allgegenwärtig
ist. Schnell begann eine angeregte Diskussion, die wir auch noch gerne weiter geführt
hätten, aber dann hätten wir riskiert, das Abendessen zu verpassen.
Am Abend besuchten wir mit unseren Betreuern vom proMINat noch den Tagebau in
Elsdorf. Dies war für mich als „Münsterländer“ etwas ganz Neues und Faszinierendes.
Tag 5 – Der letzte Tag im Institut
Heute stand zunächst eine Aufgabe auf der Tagesordnung, die ich normalerweise eher
ungern mache, und zwar ein Prüfprotokoll anzufertigen und anschließend auszufüllen.
Aber auch das gehört natürlich zu den Aufgaben eines Physikingenieurs und ist bei
einem richtigen Versuch erforderlich. Wie ich es aus dem Chemieunterricht gewohnt
war, habe ich mich dann an den vier Punkten (Einleitung, Durchführung, Beobachtung
und Resultat) orientiert. Bei dem Punkt Beobachtung waren die Messwerte der
ausschlaggebende Punkt, wo ein klarer Unterschied auszumachen war. Während die
Brandschutzfarbe kaum Wärme in den Kunststoff geleitet hat, war das Brandschutz-PE
sehr gut wärmeleitfähig.
Mit dem Abschluss des Protokolls war für mich auch der Versuch zu Ende. Danach
bekam ich aber noch mal einen Einblick in ein Forschungssystem, welches ich schon
einmal in ähnlicher Form im Physikunterricht behandelt hatte. Und zwar soll mit Hilfe
eines Laserstrahls die Konzentration, beziehungsweise die Zusammensetzung eines
Gasgemisches ermittelt werden. Hierzu wird ein vorher erzeugter Laserstrahl in einen
Messstrahl und einen Indifferenzstrahl aufgeteilt. Der Messstrahl wird durch eine
Vakuumkammer mit einer Düse, die das Gasgemisch versprüht geleitet. Anschließend
werden
beide
Strahlen
wieder
zusammengeführt
und
von
einer
Hochgeschwindigkeitskamera erfasst. Nun können an einem Computer die
Indifferenzlinien verkippt werden, um den Gangunterschied zu erfassen. Durch den
Gangunterschied können dann Rückschlüsse auf die Zusammensetzung des Gases
gezogen werden. Leider war dies auch mein letzter Tag in dem ZEA-1 und der
Abschied fiel mir schwerer als gedacht.
Tag 6 – Auch am letzten Tag gab es noch viel zu entdecken
Am letzten Tag haben wird noch zwei Institute besichtigt. Zum einen das ERC, wo
einer der drei größten und leistungsfähigsten Elektronenmikroskope, die es auf diesem
Planeten gibt, steht. Hier wurde uns der komplette Ablauf einer Probe, die
mikroskopiert werden soll, gezeigt, denn es gehört einiges dazu, bis man ein Präparat
soweit bearbeitet hat, dass es mit diesem Mikroskop untersucht werden kann.
Das zweite Institut war das IEK-8, hier steht die Atmosphärensimulationskammer.
Diese führt Pflanzen Luft aus unterschiedlichen Höhen zu, um so zu erforschen, wie
die Pflanzen auf die Luft aus verschiedenen Höhen reagieren.
Das Abschlusstreffen fand wieder im Schülerlabor statt und jeder durfte noch einmal
von seiner interessanten Woche mit sehr vielen neuen Eindrücken erzählen, bevor es
dann für mich zurück nach Münster ging.
Fazit
Zu Beginn war die Aufregung wirklich riesig, doch diese wich schnell der Neugier und
dem Verlangen so viele Informationen aufzusagen, wie es nur geht. Für mich war es
das erste Mal in so einer Forschungseinrichtung und ich bin beeindruckt, in wie vielen
verschiedenen Bereichen hier geforscht wird und dass diese so nahe miteinander
verbunden sind. Ich durfte nicht nur sehr nette und hilfsbereite Mitarbeiter
kennenlernen, sondern habe auch viele Einblicke in die Tätigkeit eines
Physikingenieurs bekommen. Zu meinen Erfahrungen, die ich in dieser Woche
gemacht habe, gehört, dass die Arbeit unheimlich vielseitig und abwechslungsreich ist,
auch wenn nicht jede Arbeit immer nur Spaß macht und man bei vielen Versuchen eine
Menge Geduld mitbringen muss. Ich hatte das Glück, während meiner Woche auch
viele praktische Tätigkeiten zu sehen und zu machen. Deshalb kam keine Langeweile
auf, sondern eher der Wunsch, noch eine Woche länger im ZEA-1 zu verbringen. Die
Kombination aus Forschung und Werkstatt für die restlichen Institute hat mir sehr
gefallen und ich habe nicht nur viel gelernt, sondern konnte auch etwas von meinem
Wissen aus Schule und Ausbildung in meine Arbeit einbringen.
Jedem der Interesse an der Forschung in Naturwissenschaftlichen Bereichen hat, kann
ich dieses Praktikum nur empfehlen. Es gibt im Forschungszentrum Jülich nicht nur viel
Interessantes zu entdecken, sondern man bekommt den Arbeitsalltag eines Forschers
hautnahe mit.