Erfahrungsbericht von Anastasia Gebel


Lieber Leser, ob du nur zufällig auf diesen Bericht gestoßen bist oder gezielt nach Informationen über ProMINat gesucht hast, ich hoffe jedenfalls, dass meine Begeisterung für dieses Projekt für dich beim Lesen fühlbar wird. Einen naturwissenschaftlichen Studiengang abzuschließen und dann in die Forschung zu gehen, war der Grund für mich mein Abitur nachzuholen. Aber wie ist es wirklich in einem Forschungszentrum und wie sieht der Alltag eines Wissenschaftlers aus? Wer sich diese Fragen stellt, ist im ProMINat Programm goldrichtig! Aber wie kommt man in den Genuss dieses Praktikums? Nun, in meinem Fall wurde ich von meinem Bio- LK Lehrer vorgeschlagen. Wenn man dann das Einverständnis der Schulleitung bekommt, sich bewerben zu dürfen, dann muss ein Motivationsschreiben verfasst werden. Das geht dann plus Lebenslauf und einem Formular an die ProMINat-Betreuer. Meine Zusage kam dann nach einigen Tagen per E-Mail. Und einige Wochen später saß ich im Zug nach Jülich, um einige absolut eindrucksvolle Tage zu erleben.


Bevor ich auf das Praktikum selbst eingehe, ein paar Worte zur Organisation. Am Jülicher Bahnhof wurden wir von unseren zwei ProMINat- Betreuer begrüßt. Insgesamt waren wir eine Gruppe von zehn Teilnehmer und schon beim ersten Aufeinandertreffen war es ein freundliches Miteinander. Ein paar von uns hatten ihr eigenes Auto dabei und der Transport zur Unterkunft und später auch zum Forschungszentrum und zurück war schnell organisiert. Wir wurden im Gästehaus von Haus Overbach untergebracht oder es gab wirklich nichts, wo rüber man sich beschweren könnte. Die Zimmer sowie die Verpflegung waren top! Nach dem ersten Kennenlernen wurden wir über das Programm informiert, dass uns die nächste Woche bevorstand. Ja, das muss dazu gesagt werden. Das Projekt ist kein Ausflug in der Schulzeit! Die Teilnehmer haben einen voll durchgeplanten Tag, aber es lohnt sich, sich darauf einzulassen. Das Praktikum im Forschungszentrum läuft meist von 9:00 bis 17:00 oder 18:00 Uhr. Und nach dem Abendessen ist noch eine gemeinsame Runde. Dort wird der Ablauf besprochen, Fragen geklärt und Aufgaben bewältigt. An einem Abend haben wir beispielsweis einen Kurzaufsatz über unseren ersten Tag geschrieben. An einem anderen durfte jeder in einem nichtallzulangen Referat über sein ihm zugeteilten Praktikumsplatz und seine ersten Eindrücke dort berichten. Stressig? Ja, ein wenig. Interessant? Und wie! Jeder von uns hatte im Bewerbungsverfahren seine Wünsche äußern dürfen, bezüglich der Institute in dem er das Praktikum gerne machen würde. Und nach Möglichkeit durfte er auch in diesem Bereich hinter die Kulissen schauen. Ich wurde dem INM-1 zugeteilt: Wie war nun der erste Tag im Forschungszentrum? Wir fuhren gemeinsam hin und mussten uns erst anmelden um einen Besucherausweis zu bekommen. Ohne den wäre es gar nicht so einfach an den Wächtern und der Schranke vor der Einfahrt vorbei zu kommen. Unsere erste Station war das JuLab (das Jugendlabor- Zentrum, in dem Kinder und Jugendliche erste Einblicke in die Forschung und Wissenschaft sammeln können). Wir wurden von einem langjährigen Mitarbeiter begrüßt, dessen Worte bei mir bleibenden Eindruck hinterließen. Er selbst habe sein Abi ebenfalls auf dem zweiten Weg gemacht und durfte dann nach dem Studium an einem Projekt in diesem Forschungszentrum mitarbeiten. Was er sich damals noch nicht vorstellen konnte war, dass er auch in diesem Forschungszentrum bleiben würde… und zwar noch über 20 Jahre und mit voller Begeisterung. Seine sprühende Begeisterung über seine Forschungsarbeit und seinen Arbeitsplatz hat mich sehr motiviert. Denn, so wie er auch selbst erwähnte, ist die Arbeit eines Forschers nicht frei von Frust und Enttäuschung. Kein leichter Weg, aber dafür ein sehr spannender!
Nach der Sicherheitsunterweisung im JuLab wurden uns kurz das Zentrum und die einzelnen Institute vorgestellt. Zu diesem Zweck wurde eigens für uns ein kleiner Bus bereitgestellt.Ich bin überzeugt, dass die Ausdehnung des Forschungszentrums jedem, der zum ersten Mal auf dem Gelände ist, ein Staunen entlockt. Es erscheint riesig! Bei seiner Gründung war es zunächst als Kernforschungszentrum gedacht. Nach und nach entwickelte es sich zu einem Forschungszentrum und die Kernreaktoren von damals sind stillgelegt und zum Teil schon abgebaut. Jetzt besteht das Forschungszentrum aus neuen Instituten, die jeweils noch in weitere Abteilungen und Arbeitsgruppen aufgeteilt sind. Das von mir bereits erwähnte INM-1 befindet sich ziemlich nah am Seecasino, der Kantine des Forschungszentrums. Von dort aus wurde ich und eine weitere Teilnehmerin von unserer Praktikumsbetreuerin Julia Vogt abgeholt. Julia studiert medizinische Physik und schrieb gerade ihre Bachelorarbeit am Forschungszentrum.

Wir waren ihre ersten Praktikanten und wurden offen aufgenommen. In den nächsten Tagen sollten wir eine Menge an Informationen verarbeitet haben und eine genauso große Menge an Fragen beantwortet haben, aber überall wurden sich für uns Zeit genommen, jede Frage beantwortet und auf unsere Wünsche eingegangen, das und jenes einmal sehen zu können. Die ersten drei Tage waren vor allem erfahren, staunen und fragen. Es dauerte etwas, bis wir die Arbeit der Arbeitsgruppen, die sich mit der strukturellen und funktionellen Organisation des Gehirns beschäftigt, kennen gelernt hatten. Als erstes erklärte Julia uns ihr Projekt. Um die Struktur des Gehirns und vor allem die
Nervenfaserbahnen im Gehirn zu erforschen, werden Gehirnschnitte gemacht. Dafür wird das Gehirn zunächst in einem Paraffinblock eingelegt und dadurch fixiert. Dann
wird mit einer extra dafür konstruierten Einrichtung hauchdünne Schnitte des Gehirns erstellt. Das Paraffin wird später herausgelöst und die Schnitte werden auf
Objektträgern mit bestimmten Konservierungsmitteln präpariert. Dieses Konservierungsmittel ist Glycerin in unterschiedlicher Konzentration. Um nun die optimale Konzentration des Glycerins für die Dünnschnittpräparate zu finden, werden Präparate mit jeweils unterschiedlich konzentriertem Glycerin hergestellt und Aufnahmen durch ein besonderes Mikroskop gemacht. Die Aufnahmen müssen nun begutachtet werden um die geeignete Konservierungsmethode zu finden. Dafür erstellt man sogenannte "Schnitte". Dabei wird das intakt gebliebenen Gewebe ausgeschnitten und herauskopiert. Daran lässt sich später die Konzentration ermitteln, bei der am wenigsten Gewebe des Präparats zerstört wird.

Neben dieser Arbeit durften wir immer wieder in andere Gruppen reinschnuppern. Zum Beispiel wurde uns das PLI- Verfahren erklärt. PLI seht für "Polarized Light Imaging" und ist ein ganz besonderes Mikroskop, dass Bilder der Gehirnschnitte macht, indem es die doppelbrechende Eigenschaft der Myelinschicht ( eine ,,Isolierschicht“ rund um die Nervenfaser) nutzt. Dadurch entstehen farbige Bilder. In dem man den Farben entsprechende Vektoren zuordnet, kann man auf den Verlauf der Nervenfaser schließen. Mit diesem Thema befasst sich die Gruppe der Nervenfaserarchitektur. Die Problematik dieses Verfahrens ist nämlich, dass manche Faserbahnen durch ihre Lage nicht vom PLIMikroskop erkannt werden können, da das polarisierte Licht sie nicht richtig trifft. An der Lösung wird derzeit gefeilt.
Ein weiterer Arbeitsschwerpunkt ist die Erstellung einer 3D –Karte des menschlichen Gehirns, wobei dem Betrachter direkte Interaktionen ermöglicht werden soll. Dazu
gehört die Erforschung der Gehirnareale und ihrer ,,Picasso“ (Quelle: eigene Aufnahme) Verbindungen. Im Zusammenhang mit dem Projekt ,,Virtuelles Gehirn“ wurde uns "Picasso" vorgestellt. Der Aufbau ist eigentlich simpel. Hinter einer großen Leinwand sind zwei Beamer aufgebaut, die aus verschiedenen Winkeln die Leinwand anstrahlen. Das ist das Geheimnis des 3D- Effektes. An den beiden oberen Ecken der Leinwand sind Infrarot-Kameras befestigt, die dazu dienen sollen die Bewegungen des Betrachters zu erkennen. Der Betrachter bekommt nämlich eine Master-3D Brille, an der in Form von kleinen Antennen Infrarot- Empfänger angebracht, die die Kopfbewegungen des Betrachters verarbeiten. Das Bild, ein virtuelles Gehirn, dreht sich dann entsprechend der Bewegungen des Kopfes, sodass man allein dadurch das virtuelle Gehirn ganz ohne Handbewegung aus verschiedenen Blickwinkeln betrachten kann.

Zusätzlich gibt ein Joystick mit dem das Modell in alle Positionen drehen kann. Ein Infrarot- Zeigestock dient dazu in das Innere des Gehirnmodells hineinzublicken. Ganz so als würde man einfach die oberen Schichten zurück schieben.

Die einzelnen Hirnareale sind farbig gekennzeichnet. Für die Mediziner soll so ein anschaubares 3D- Modell des Gehirns und aller Hirnregionen zu Verfügung stehen. Die ersten drei Tage waren gefühlt mit einer Menge physikalischer und mathematischer Aspekte. Für mich, die sich eher biologisch- chemischen Bereich sieht, war das selbstverständlich spannend, aber mir fehlte der Einblick ins Labor. Dieser Wunsch wurde am Donnerstag erfühlt- wir bekamen eine sehr ausführliche Führung im Labor des IMN. Dabei durften wir ein in Formalien eingelegtes Gehirn in die Hand nehmen. Es ist sehr beeindruckend dieses außergewöhnliche Organ live zu sehen. Ebenfalls bemerkenswert war die Erstellung der Dünnschnitte des Gehirns (die ich ja bereits beschrieben habe). In der Regel entstehen bei so einem Gehirnschnitt bis zu 1500-2000 einzelne Schnitte. Nach dem PLI- Aufnahmen werden die Schnittbilder wieder zusammengesetzt, denn das Ziel ist es ja eine räumliche Vorstellung vom Verlauf der Nervenfasern im Gehirn zu bekommen. Das ist die Aufgabe der Abteilung für Bildverarbeitung und pure Informatik. Für mich als Laie ist es nahezu unmöglich, denn Vorgang zu verstehen. Es ist nämlich gar nicht so einfach die einzelnen Schnitte wieder zusammen zu fügen, da ja beim Schneiden Gewebedeformationen unvermeidbar sind. Um den Prozess zu erleichtern wird vor dem Schnitt immer eine Standbildaufnahme auf einem besonders codierten Feld gemach, dass später hilft, die Deformation zu erkennen und zu korrigieren.

Am Freitag hatte unsere Betreuerin noch eine Überraschung für uns. Wir durften am Vormittag bei der 1000 Gehirn Studie dabei sein. Die Studie beinhaltet umfangreiche Untersuchungen zu Struktur und Funktion des Gehirns an 1000 Probanden, um das Zusammenspiel verschiedener Gehirnregionen und deren mögliche Veränderungen im normalen Alterungsprozess zu verstehen. Ich durfte einer Psychologin bei der Untersuchung der motorischen Fähigkeiten eines Probanden assistieren.
Am Nachmittag war es soweit. Unsere Abschlussrunde im JuLab fand statt, bei der alle Teilnehmer und Betreuer zusammen kamen und jeder noch einmal seine Eindrücke über die vergangenen Tage teilen durfte. Es war eine durchgehend positive Resonanz und beim gemeinsamen Kaffee war man sich einig: Die Tage waren sowohl für die Teilnehmer als auch für die Betreuer ein voller Erfolg.

Ich konnte in meinem Bericht nur ein Bruchteil von dem wiedergeben, was ich für mich persönlich mitgenommen habe. Die Befürchtung, als Schüler von den Betreuern nicht ernst genommen zu werden, war völlig unbegründet geblieben. Ich persönlich bin sehr dankbar für diese Zeit, besonders da es mir geholfen hat meinen Studienwunsch zu überdenken und mich bestätigt hat, die Forschung als meinen Arbeitsbereich zu sehen.