Erfahrungsbericht von Jan Tödheide


In der Zeit vom 22. Juni bis 27. Juni 2014 habe ich im Rahmen der Studierendenakademie proMINat an einem einwöchigen Praktikum im Forschungszentrum Jülich teilgenommen. Dieses richtet sich an interessierte Schüler des 2. Bildungsweges und wird über die jeweilige Schulleitung vergeben. Es soll dazu dienen, einen Einblick sowie praktische Erfahrung in der aktuellen Forschung des FZJ zu erhalten. Wichtige Voraussetzung für proMINat ist somit ein überdurchschnittliches Interesse sowie gute Leistungen in naturwissenschaftlichen Bereichen. Zu meinem Glück wurde ich für das Praktikum vorgeschlagen und eingeladen.


Das Forschungszentrum Jülich ist eines der führenden naturwissenschaftlich-technischen Forschungseinrichtungen in Europa. Es beschäftigt aktuell 5300 Mitarbeiter, davon 1700 Wissenschaftler sowie 600 Doktoranden auf einer Fläche von 2,2 km2. Es setzt sich mit den bevorstehenden Herausforderungen der Menschheit in den Bereichen Gesundheit, Information, Umwelt und Energie auseinander. Das Rahmenprogramm von proMINat war bestens organisiert. Unsere Gruppe, die aus zehn Teilnehmern sowie den zwei Organisatoren bestand, traf sich am Sonntag vor dem Bahnhof in Jülich. Erste Kontakte zu den anderen Teilnehmern konnten auf einer kleinen Wandertour durch ein Naturschutzgebiet nahe des Hauses Overbach, welches unsere Unterkunft für diese Woche war, hergestellt werden. Es stellte sich schnell heraus, dass wir alle auf einer Wellenlänge waren. Genauso teilten wir die Neugier darüber, was uns wohl in dieser Woche erwarten würde. Am Montag ging es dann los. Gemeinsam fuhren wir in das Forschungszentrum. Nach einem kurzen Check-In mit Passkontrolle erhielten wir unsere Ausweise und konnten uns ab nun frei auf dem vollständig umzäunten Gelände des FZJ bewegen. Im Julab wurde uns ein Vortrag über das Forschungszentrum gehalten. Weiterhin erhielten wir eine Einweisung in die Sicherheitsbestimmungen des FZJ. In einer anschließenden Bustour über das weitreichende Gelände fuhren wir dann die markantesten Institute der Forschungseinrichtung an. Die vielen Gerätschaften und Versuchseinrichtungen die man sonst nur aus Dokumentationen oder Sachbüchern kannte, wurden von allen Teilnehmern gleichermaßen bestaunt. Nach dem Mittagessen im Seecasino, welches die Kantine des FZJ war und eine herausragende Qualität bot, wurden wir von unseren jeweiligen Betreuern abgeholt. Die Themenbereiche der Institute, in der wir unsere Woche verbrachten, waren breit gefächert. Sie reichten von Bio- und Geowissenschaften über Neurowissenschaften bis hin zu Kernphysik sowie der Energie- und Klimaforschung. Ich habe in dem Institut für Plasmaphysik, dem IEK-4, welches auch mein Wunschinstitut war, einen Platz erhalten. Auf dem Weg in das Institut vermittelte mir mein Betreuer, der mich durch die Praktikumswoche führen sollte, einen ersten Überblick über sein Tätigkeitsfeld. Dies bestand im wesentlichen aus der Erforschung von Plasma-Wand-Wechselwirkungen die in einem Fusionsreaktor auftreten. Seine Doktorarbeit veröffentlichte er Anfang des Jahres über die Thematik, Ablagerungen, die innerhalb einer solchen Anlage in Form von kodeponierten amorphen Kohlenwasserstoffschichten entstehen, zu beseitigen. Die Fusionsenergie steht im Mittelpunkt des IEK-4 des FZJ. Schon 3 Jahrzehnte wird weltweit daran geforscht mittels von Fusion der Wasserstoffisotope Deuterium und Tritium Energie zu gewinnen. Als „Abfallprodukt“ ensteht hierbei Helium und eine bedeutende Energiemenge kann in Form von Wärme über das Wandmaterial entnommen werden. Dieses Verfahren ist vielversprechend, da relativ geringe Mengen an Rohstoffen aufgewendet werden müssen.

Ebenso enstehen nur minmalste radioaktive Abfälle im Vergleich zu konventionellen Kernkraftwerken, die auf dem Prinzip der Kernspaltung beruhen. Auch die Betriebssicherheit ist bedeutend höher, da der Fusionsprozess ad hoc unterbrochen werden kann. Um 1000 MW Leistung zu erhalten benötigt man z.B. 2.700.000 Tonnen Steinkohle oder 100km2 Solarzellen. Dieselbe Energie könnte man theoretisch mittels Fusion von 100kg Deuterium sowie 150kg erhalten. Hier liegt der treibende Faktor der Forschung. Das Kernstück dieser Forschung im FZJ bildete bis Ende 2013 der Versuchsreaktor TEXTOR (Tokamak Experiment for Technology Oriented Research). Es war sehr beindruckend solch eine Anlage in der Realität vor mir zu sehen, da ich diese Technologie schon von meiner Kindheit an verfolgte. In diesem System wird ein Plasma erzeugt, welches schließlich Temperaturen bis zu 100 Millionen Grad erreicht um den Fusionsprozess zu generieren. Da natürlich kein Wandmaterial diesen Extremen direkt standhält, wird das Plasma mithilfe von Magnetspulen, die auf dem sogenannten Tokamak-Prinzip beruhen, in einer toroidalen Form gehalten. Dennoch entstehen eine Reihe von weiteren Belastungen, weshalb das Thema der Plasma-Wand-Wechselwirkung im Fokus der Forschung in Jülich steht. Die Abbildung oben zeigt die Brennkammer von TEXTOR mit einem Volumen von 7m3. Hier entsteht das Fusionsplasma welches sich bis zu einem Radius von 1,75 Metern ausdehnt. Die Kacheln die das Wandmaterial bilden, die sogenannten Limiter, müssen Temperaturen bis 2000 Kelvin standhalten. Die bunten Verfärbungen auf dem Material enstehen durch die bereits erwähnten Ablagerungen. Diese gilt es zu minimieren oder zu beseitigen da sich in ihnen das zur Fusion verwendete Tritum ablagert, wodurch unerwünschte Abfallprodukte entstehen würden. Das IEK-4 hat eine Reihe weiterer Großgeräte zur Erforschung des Verhaltens von Fusionsplasma auf die vorhandenden Materialien. Mein Betreuer war gut auf mich und meine vorhandenden Kompetenzen eingestellt die ich im Vorfeld durch meine Bewerbung sowie einem persönlichen Telefonat schildern konnte. So konnte er mir eine Reihe von Interessanten Aufgaben präsentieren die gut auf meine Fähigkeiten zugeschnitten waren und mich durch die Praktikumswoche begleiten sollten. Darunter war unter anderem die Kalibration von Messapperaturen an PSI-2, einer linearen Plasma Anlage. In dieser wird ein stationäres Plasma erzeugt. Dadurch können flexibler Erosionen sowie andere Einflüsse auf das Wandmaterial untersucht werden. Weiterhin stellte mir mein Betreuer den praktischen Teil seiner Arbeit vor. Diese bestand aus dem Tandetron- Beschleuniger der für die Rutherford-Rückstreu-Spektroskopie verwendet wird. Hierbei werden Helium-Ionen mit einer Energie bis zu 3.4 MeV beschleunigt und dann auf ein zu untersuchendes Target gelenkt. Diese prallen mit unterschiedlicher Energie von der Probe ab. Dadurch kann eine genaue Analyse der Oberflächennahen Elemente sowie deren Tiefe erschlossen werden kann. Die untere Beispielmessung dient zur Veranschaulichung. An dieser Anlage fand ich die Aufgabe, die mich durch die gesamte Woche begleiten sollte. Am Ende des Beschleunigerrohres, welches durch zahlreiche Spulen zur Zentrierung der Ionen umgeben war, befand sich die Versuchskammer. Die Probe konnte in 3 räumlichen Achsen manipuliert werden.

Diese Einstellungen wurden bisher manuell ausgeführt. Alternativ dazu war ein bisher funktionsloses System vorhanden, welches ein genaueres Konfigurieren der Parameter ermöglichen sollte. Weiterhin war eine Schnittstelle zur Fernsteuerung vorgesehen. Dieses System wurde nie in Betrieb genommen und es war keinerlei Dokumentation mehr darüber vorhanden. Meine Aufgabe bestand nun darin, den Aufbau sowie die Verdrahtung zu analysieren. Das System bestand im wesentlichen aus Motorsteuergeräten die untereinander über einen CAN-Bus kommunizierten. Eine Technik, die ebenso in der Automobilindustrie zur Anwendung kommt. Programmiert wurden diese durch die Programmiersprache Phyton. Ein erster Verbindungsversuch scheiterte. Bei meiner weiteren Fehleranalyse, stellte sich unter anderem ein falsch verdrahteter Bus heraus. Nun konnte ich meine Fähigkeiten mit dem Lötkolben unter Beweis stellen. Das Projekt befasste mich die gesamte Woche. Zum Ende hatte ich einen guten Überblick über das System und konnte eine Menge Software sowie Hardwarefehler beseitigen. Am Freitagmorgen konnte ich meinem Betreuer, der sehr erfreut über mein eigenständiges Arbeiten war, eine halbwegs fertige Steuerungseinheit präsentieren. Leider war die Woche zu kurz um weitere Steuerungsmöglichkeiten zu installieren. Dies war auch der Grund warum ich die eigentlich am Freitag geplanten Führungen „Roboter in der Pflanzenforschung“ sowie eine Führung durch den Kühlersynchrotron COSY, die für unsere Gruppe geplant war, ausfallen lies. Der Abschluss meines Projektes sowie ein ausführlicher, abschließender Rundgang durch das Institut hielten mich hiervon ab. Neben dieser Tätigkeit war genug Zeit vorhanden, sich mit dem Arbeitsaltag in der Forschung auseinanderzusetzen. So wurden mir viele Fragen beantwortet und es zeigte sich ein erstaunlich motivierendes Arbeitsklima welches ich bis dato in keinem anderen Betrieb erlebt habe. Ich durfte an Besprechungen und Meetings für weitere Projekte teilnehmen und wurde stets freundlich aufgenommen. Nachdem ich mich bei einem Großteil der Mitarbeiter vorgestellt hatte, konnte ich mich frei in dem Institut bewegen und fand immer ein offenes Ohr für Fragen. Über die für mein Projekt notwendigen Arbeitsmaterialien konnte ich frei verfügen. Ebenso wurde mir ein eigener Schreibtisch mit entsprechendem IT-Zugang gewährt. Auch beim täglichen gemeinsamen Mittagessen im Seecasino fühlte ich mich trotz des kurzen Aufenthalts der Gruppe, die größtenteils aus jungen Doktoranden bestand, angehörig. Abgerundet wurde das Praktikum durch einen Vortrag über Informationskompetenz in der Zentralbibliothek des FZJ mit anschließenden praktischen Übungen. Ebenso fand sich abends die Zeit für gemeinsame Aktivitäten in der Gruppe. Neben der Aufarbeitung der Eindrücke haben wir unter anderem einen Grillabend veranstaltet und hatten trotz der anstrengenden Tage eine Menge Spaß in unserer sehr modernen Unterkunft. Rückblickend war die Woche im Forschungszentrum Jülich für mich sehr erfolgreich. Es waren unglaublich viele und neue Eindrücke, die dieses Praktikum vermitteln konnte. Durch meine selbstständige Tätigkeit konnte ich mich frei in dem Institut bewegen. Hierdurch wurde mir die Möglichkeit gegeben, einen unverfälschten Eindruck über das Arbeiten in der Forschung zu erlangen.