Erfahrungsbericht von Pia Torwesten


Als mein Physiklehrer mich darauf ansprach, mich bei der Studierendenakademie proMINat mit der Möglichkeit eines wissenschaftlichen Praktikums in einem der größten
Forschungszentren Europas anzumelden, war für mich klar: Da will ich hin! Diese Chance wollte ich gerne nutzen, um im FZJ (Forschungszentrum Jülich) für einige Tage unmittelbar Forschergeist spüren und Zukunftsluft schnuppern zu können! Nach drei Wochen angespannten Wartens kam endlich die Zusage. Ich habe mich sehr gefreut und konnte kaum den Beginn der Akademiewoche erwarten. Als der Tag der Anreise in greifbare Nähe rückte, wurde mir schon etwas mulmig. Was, wenn meine Kenntnisse doch nicht ausreichen würden, um die anspruchsvollen Aufgaben durchzuführen? Oder ich in einem Bereich arbeiten würde, zu dem ich so schnell keinen Zugang finden könnte? Zu meiner freudigen Überraschung hat sich mein Mentor, Herr Dr. Ingo Weyand (Dr. der Biologie) schon im Vorfeld per Email an mich gewandt, um mich über das Laborprogramm der einzelnen Tage zu informieren. Somit hatte ich schon eine konkrete Vorstellung davon, welches Thema und welche einzelnen Versuchsschritte dort auf mich zukommen würden.

Forschung hautnah
In Jülich angekommen, haben wir - die beiden proMINat-Betreuer und die Stipendiaten - einen ausgiebigen Spaziergang in der Natur unternommen, um uns näher kennenzulernen. Danach ging es zum Abendessen, dem die erste abendliche Gesprächsrunde folgte, bei der die Abläufe der nächsten Tage und andere organisatorische Fragen
besprochen wurden. Der erste Eindruck am Folgetag im Forschungszentrum war schon ziemlich imposant: Mit all den Sicherheitsschleusen und Kontrollbeamten fühlte man sich, als würde man die „Area 51“ betreten - ganz zu schweigen von dem weitläufigen, stadtähnlichen Komplex. 5.700 Mitarbeiter sind hier in der Grundlagenforschung für Schlüsseltechnologien von morgen tätig. Nach der gemeinsamen Sicherheitseinweisung im JuLab und der Rundfahrt über das Gelände mit den vielen Instituten wurde uns ein weiteres Mal bewusst, dass wir uns hier an einem ganz besonderen Ort – einer Werkstatt für die Zukunft – befanden. Nach dem Mittagessen in der Zentrumsmensa wurden wir dann von unseren jeweiligen Mentoren in Empfang genommen.

Glücklicherweise wurde ich dem „Institut für zelluläre Biophysik“ (Institut of Complex Systems, ICS-4) zugeteilt, dessen Aufgabenschwerpunkte mich sehr faszinieren. Man beschäftigt sich dort vor allem mit der Frage, was mit einer Zelle geschieht, wenn ein Reiz auf sie trifft und wie die Reizweiterleitung funktioniert. Mein Mentor hatte für mich ein ambitioniertes Versuchsprogramm zusammengestellt, das auch real zur aktuellen Forschung gehörte und nicht nur ein „Pseudo“-Experiment bedeutete.

Aufgabe war es herauszufinden, unter welchen Bedingungen ein ganz bestimmtes Membranprotein am besten markierbar ist, um danach sowohl die Markierung,
als auch die Menge des Proteins nachzuweisen zu können. Das zu untersuchende Membranprotein (GltPh) ist ein Aspartat-Transporter des Archaebakteriums Pyrococcus horikoshii, welches den Glutamat-Transportern (EAAT's), die in Nerven- und Gliazellen vorkommen, Glutamat außen am synaptischen Spalt binden und in die Zelle weiterleiten, sehr ähnlich. Daher wird es als Modellsystem für die EAAT's verwendet.

Mein Laboralltag gestaltete sich sehr abwechslungsreich: vom Ansetzten und Pipettieren verschiedener Lösungen und Reaktionsansätze, über das Gießen von Gelen bis hin zum Bedienen der verschiedenen Laborgeräte. Außerdem hatte ich das Privileg ziemlich eigenständig arbeiten zu können, sodass ich die Arbeit eines Forschers authentisch nachempfinden konnte. Besonders hat es mich gefreut, dass am Ende der Woche mein Versuch gelungene Ergebnisse hervorbrachte und mein Mentor recht zufrieden war. Ergänzend erklärte er, dass auch ein unerwartetes Ergebnis kein „schlechtes“ sei, es bedeute nur, dass man weiter nach einer Lösung des Problems suchen müsse.

Die verbleibende Zeit außerhalb der Institute gestaltete sich für mich und meine Mitstipendiaten durchaus etwas stressig. Denn es war, neben unseren Tätigkeiten in den
Instituten, noch so manch anderes für uns geplant. Abgesehen von den täglichen Abendrunden, in denen wir u. a. kurze Aufsätze schrieben oder Referate über unsere
individuellen Praktika hielten, besichtigen wir den "COSY"

(Cooler Synchrotron) – den Teilchenbeschleuniger aus einem Institut für Hadronen-, Teilchen- und Kernphysik. An einem anderen Tag besuchten wir die Zentral-Bibliothek des FZJ und wurden mit der wissenschaftlichen Arbeit per Fachliteratur vertraut gemacht.

Resümee
Es war eine sehr engmaschig geplante, aber auch sehr inspirierende und schöne Woche. Die Zeit im Labor habe ich sehr genossen. Ich habe mich äußerst wohl gefühlt, da nicht nur mein Mentor, sondern auch alle anderen Wissenschaftler, mit denen ich zu tun hatte, unglaublich freundlich, zuvorkommend und hilfsbereit waren. Obwohl aus vielen verschiedenen Nationen stammend war spürbar, dass die Forscher mit der Benutzung der englischen Sprache nicht nur formal „eine Sprache“ sprechen, sondern dass sie durch die gemeinsame, große Leidenschaft für die Naturwissenschaften eng mit einander verbunden sind. Die Labortätigkeiten und die Gespräche mit meinem Mentor und Anderen im FZJ waren für mich sehr aufschlussreich, da ich vorher nicht genau wusste, welchen Schwerpunkt ich für mein Studium setzen sollte. Jetzt weiß ich, dass ich auch langfristig in einem Labor biochemische oder biophysikalische Untersuchungen durchführen möchte. Ich habe festgestellt, dass ich mich beim Experimentieren ganz „in meinem Element“ fühle und kann mir gut vorstellen, meine berufliche Laufbahn darauf auszurichten. Allen, die sich sehr stark für Naturwissenschaften interessieren und auch durch proMINat die Möglichkeit der Teilnahme haben, kann ich diese Akademiewoche sehr empfehlen.